Vorwort

Auf den Seiten dieses Portals schreibe ich über Menschen, denen ich begegnet bin, und über Themen, die mich bewegen. Den Anstoß dazu verdanke ich einer Gesprächsrunde, deren Teilnehmer sich nicht verstanden. Was die einen positiv meinten, fassten die anderen negativ auf. Dabei lagen sie ideell nicht weit auseinander.

Wir reden aneinander vorbei, wenn wir nicht verstehen, was der andere meint. Und wir verstehen nichts, wenn wir nicht miteinander reden. Je mehr wir voneinander wissen, desto eher stellen wir fest, dass nicht alles so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, sich auf das Selbstverständnis des jeweils anderen einlassen zu wollen. Die Geschichten in diesem Portal sollen dazu ermutigen.

Unter dem Menüpunkt „Gemischtwaren“ finden Sie Beiträge von mir, die ich zu unterschiedlichen Zeiten verfasst habe. Einige sind wieder aktuell, obwohl sie Jahrzehnte alt sind. Dazu gehört mein Aufsatz aus dem Jahr 1984: Hilfreicher Antifaschismus.

Die Teilung Deutschlands

Meine Geschichten aus den 1960er und 1970er Jahren sollen einen Eindruck vermitteln von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die zur Zeit der deutschen Teilung in der früheren Bundesrepublik und in West-Berlin herrschten.

Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 und dem Ausbau der Grenzanlagen wollte die DDR-Führung ihre Bürger hindern, in den anderen Teil Deutschlands zu reisen. Das Brandenburger Tor war von Panzersperren umgeben.

Schon als Jugendlicher hoffte ich, dass die Spaltung Deutschlands bald überwunden sein würde. Umso mehr empörte mich, dass sich in Westdeutschland anscheinend viele Bürger damit abgefunden hatten. Fühlten sie sich mit den Deutschen in der DDR nicht verbunden? Die Frage war vergessen, als sich am Abend des 9. November 1989 die Berliner Mauer und danach die gesamte innerdeutsche Grenze öffnete. Es war wie ein Wunder.

Meine Jugendzeit in den „70ern“

Die 1970er Jahre waren für mich eine spannende Zeit. Die Graf-Anton-Günther-Schule in Oldenburg musste ich 1973 nach der neunten Klasse verlassen, ohne das Klassenziel und damit den Hauptschul-Abschluss erreicht zu haben. Dennoch standen mir später viele Türen offen: Tagelöhner im Hafen, Ausbildung in einer kleinen Maschinenfabrik und gewerkschaftliche Aktivitäten im Rahmen der „IG Metall“. Ich suchte Kontakt zu radikalen Gruppen links und rechts des politischen Spektrums, engagierte mich in der Anti-Atombewegung und gehörte der Redaktion zweier Zeitschriften an.

Nicht jede Tür blieb geöffnet: Der Zutritt zur DDR war mir ab 1979 verwehrt. Der andere deutsche Staat hatte aus politischen Gründen eine Einreisesperre gegen mich verhängt.

Mit Wehmut erinnere ich mich an die Menschen, denen ich im Umfeld des Oldenburger Hafens begegnet bin. Mehr in: Hafenromantik. Hin und wieder denke ich auch zurück an die Zeit meiner Berufsausbildung und an die damalige Mitarbeit im Ortsjugend-Ausschuss der IG Metall. Mehr dazu in: Betriebsjugendgruppe und in: Schweinefraß.

Demokratische Streitkultur

Aus der 68er-Bewegung waren zahlreiche Polit-Sekten hervorgegangen, die in den 1970er Jahren schnell an Bedeutung gewannen. Sie konkurrierten miteinander um den höchsten revolutionären Anspruch. Eines Tages lud mich ein führendes Mitglied einer solchen Gruppe zu sich nach Hause ein. Wir waren Gegner, uns trennten Welten. Umso mehr war ich von meinem Gesprächspartner beeindruckt. Er dachte nicht in Schubladen. Das Etikett, das auf ihm klebte, stimmte nicht. Später schlossen wir uns beide der Partei „DIE GRÜNEN“ an. Er ist noch heute deren Mitglied, während ich nach zehn Jahren das Handtuch warf.

Zu Beginn der 1970er Jahre bekannte sich mein Gesprächspartner zu den Schriften von Stalin und Mao Tse-Tung. Er träumte von einem gewaltsamen Umsturz. Die kommunistische Gruppe, der er damals angehörte, unterstützte Diktaturen, die eine breite Blutspur hinter sich gelassen hatten. Dennoch hielt ich meinen Gesprächspartner schon damals für einen „Freigeist“.

Vermutlich hätten ihn seine Genossen gleich nach der Revolution als „Abweichler“ liquidiert. Drei Jahrzehnte später war seine einstige maoistisch-stalinistische Überzeugung nicht vergessen, aber vergeben: Der frühere Klassenkämpfer und Staatsfeind wurde in Bremen zum „Staatsrat für Finanzen“ ernannt. Mehr in: Verfassungsfeinde.

„Hass und Hetze“

Die Streitkultur der 1970er Jahre vermisse ich heute umso mehr, je öfter die politischen Debatten in moralisch-religiöse Fahrwasser abgleiten und man sich gegenseitig „Hass und Hetze“ vorwirft. Wer nur noch zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Gut und Böse unterscheidet, sieht am Ende auch in denen, die sich diesem Dualismus verweigern, einen Feind, den man stigmatisieren und ausgrenzen darf.

Wie schlecht es um unsere Streitkultur bestellt ist, zeigen die jüngsten Umfragen zum Meinungsklima. Die Mehrheit der Befragten äußerte die Ansicht, man solle besser schweigen, wenn die eigene Meinung der vorherrschenden Meinung widerspricht.

Die „offene Gesellschaft“ …

Nach Ansicht der verstorbenen Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann nimmt die Bereitschaft, mit der eigenen Meinung hinter dem Berg zu halten, in dem Maße zu, in dem diese Meinung von der herrschenden Meinung abweicht. Noelle-Neumann hat dafür den Begriff der Schweigespirale geprägt.

Politiker und Journalisten, die in unserer Gesellschaft den Ton angeben, sind in hohem Maße dafür verantwortlich, dass sich das Meinungsklima in unserem Land verschlechtert hat: Warum bleiben sie auffallend still, wenn Menschen ausgegrenzt werden, die sich dem „Mainstream“ widersetzen? Warum widersprechen sie nicht laut, wenn die Grenzen des „Sagbaren“ verengt werden sollen? Warum schweigen sie, wenn das Gegenteil erforderlich wäre? Wie gefährdet ist unsere „offene Gesellschaft“? Und wer sind deren Feinde?*

*) Diese beiden Bücher des Philosophen Karl Popper („Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) schenkte mir ein Geschäftspartner nach einem lebhaft geführten Gespräch, in dem wir uns auf politisch „vermintes Gelände“ gewagt hatten.

… und ihre Feinde

Wer Meinungsäußerungen jenseits des Strafrechts „regulieren“ und politische Gegner ausgrenzen will, legt an die Wurzeln der „offenen Gesellschaft“ die Axt an. Umso tragischer ist es, wenn die Befürworter solch repressiver Maßnahmen glauben, damit die „offene Gesellschaft“ zu verteidigen und die Demokratie zu stärken. Das Gegenteil ist der Fall.

Die „offene Gesellschaft“ stirbt, wenn sich die Menschen aus Angst vor sozialer Ächtung scheuen, eine legitime Meinung zu äußern, die der jeweils vorherrschenden Meinung widerspricht. Umso wichtiger ist es, zu einem herrschaftsfreien Diskurs zurück finden. Das setzt die Bereitschaft voraus, grundsätzlich auch mit denen zu reden, deren Meinung wir nur schwer ertragen.

Menschen und deren Meinungen können sich ändern. Auch ich urteile in vielen Fragen heute anders als in meiner Jugendzeit. Das verdanke ich den unterschiedlichen Gesprächspartnern und Wegbegleitern, denen ich im Laufe meines Lebens begegnet bin. Diese Erfahrung will ich weitergeben.

Kohlenkeller am Mexikoplatz

Miteinander reden verbindet. Für meine Ehefrau Nina und mich war das einer der Gründe, warum wir uns entschlossen haben, den ehemaligen Kohlenkeller unseres Hauses für Veranstaltungen zu nutzen. Hier ist Raum für viele Themen und Meinungen. Und Zeit für Gespräche, die bis tief in die Nacht gehen können.

Nicht selten gaben sich in unserem „Kohlenkeller“ Menschen, die sich bisher aus dem Weg gegangen waren, am Ende der Veranstaltung die Hand. Sie fanden zu gegenseitiger Wertschätzung, obwohl sie in wichtigen inhaltlichen Fragen Gegner blieben.

Nicht nur gemeinsames Reden, sondern auch gemeinsames Singen verbindet. Im „Kohlenkeller“ singen wir zu Beginn jeder Veranstaltung mit den Besuchern ein Lied, das sich der Referent, Autor oder Künstler zuvor selbst ausgesucht hat. Wie es bei uns zugeht, sehen Sie in den Filmaufnahmen.